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Rumänisch-ukrainischer Grenzübergang Siret

Im April reisen Sylvia und Josef vom Verein Hinsehen und Helfen e.V. nach Siret, zum rumänisch-ukrainischen Grenzübergang. Ziel ist ein Besuch bei der Partnerorganisation Fight for Freedom, um sich ein Bild zu machen, wie die Hilfe vor Ort aussieht.

Freitag – Nachdem Sylvia und Josef die Gesichter hinter Fight for Freedom kennengelernt haben, wird ihnen das aktuelle Projekt vorgestellt. Ein großes Haus wird mit Hochdruck saniert, um innerhalb weniger Wochen Wohnraum für 150 Menschen zu schaffen, welche auf der Flucht sind und nicht wissen, wo sie hinkönnen. Weiter geht es zum derzeitigen Mittelpunkt von Fight for Freedom, dem Obdachlosenheim, welches als vorübergehende Flüchtlingsunterkunft genutzt wird. In einem Zimmer stehen den Bedürftigen Hygieneartikel, Medikamente und Kleidung zur Verfügung. Alles ist fein säuberlich sortiert und jeder, der etwas benötigt, wird dort fündig. Die Unterkunft ist nur für eine Nacht vorgesehen, um einmal auszuruhen, bevor die Reise weitergeht. Die Flüchtigen erhalten Unterstützung bei der weiteren Unterkunftssuche. Sylvia entdeckt eine Mama mit ihrer schwerbehinderten Tochter. Der emotionale Abstand, der gestern noch da war, ist plötzlich weg. Wir sammeln in diesem Moment nicht einfach nur Spenden für Flüchtlinge, nein, wir sehen in Not geratene Familien, Menschen mit einer Geschichte. Was muss eine Mutter erleben, um sich mit ihrem schwerbehinderten Kind auf den Weg in eine ungewisse Zukunft zu machen? Und doch ist Bleiben keine Option, wenn das Nachbarhaus bereits in Schutt und Asche liegt.

Samstag – Es geht endlich an den Grenzübergang Siret. Dort sind ca. 10 – 15 Hilfsorganisationen mit Zelten stationiert. Zutritt hat nur, wer einen speziellen Ausweis hat, ausgestellt vom Grenzschutz. So sollen kriminelle Handlungen wie Menschenhandel verhindert werden. Fight for Freedom kümmert sich hier an der Grenze um die Flüchtigen, die nicht wissen, wohin ihre Reise geht. Die ersten Ausreisenden erreichen die Grenze gegen 10 Uhr, dann beginnt das geschäftige Treiben. Busse kommen an, in einem Zelt gibt es Sandwiches, in einem anderen Kaffee. Freiwillige verschenken Luftballonfiguren, um die verängstigten Kinder ein wenig aufzuheitern. Es ist nicht wichtig, welches das Zelt von Fight for Freedom, vom Roten Kreuz oder von Save the Children ist… Hier an der Grenze arbeiten alle Hand in Hand. Unzählige Familien kommen an, mit mehr oder weniger Gepäck, mit Kindern auf dem Arm oder hinter sich herziehend, weil die Kraft ausging. Sie alle sind auf der Flucht, auf der Suche nach Sicherheit… Da Sylvia weder Ukrainisch, noch Rumänisch spricht, beobachtet Sie die vielen Menschen, sieht die Emotionen in den Gesichtern. Was sie sieht, ist vor allem Hoffnung! Die Sprache ist nicht Ukrainisch, Rumänisch, Englisch oder Deutsch – die Leute hier am Grenzübergang Siret verbindet eins: die Sprache der Liebe und der Hoffnung. Ein Lächeln, eine Umarmung, Beistand für die, die aus ihrem sicheren Hafen in eine ungewisse Welt geflohen sind.

Dann ist da noch ein kleines Mädchen mit seiner Mutter und seinen 6 Geschwistern. Sulina. Ein unschuldiges, verängstigtes Kind. Ein Mädchen, das einfach in Sylvias Herz gehüpft ist. Die zwei verstehen sich auf Anhieb, denn auch hier gibt es nur eine Sprache: Hoffnung! Die beiden machen ein bisschen Quatsch, die Kleine lächelt, und doch sieht man starre Augen, die grausames gesehen haben, Ohren, die schreckliches gehört haben. Es wird lange dauern, bis sie das Erlebte verarbeiten kann. Tränen laufen Sylvia und Josef über die Wangen, als sie davon erzählen, und sie wünschen sich nur eines: dass Sulina und alle anderen Flüchtigen aus der Ukraine einen Ort auf dieser Welt finden, wo sie in Sicherheit bleiben können.

An der Grenze wird nicht nur für die Durchreisenden gesorgt. Von hier aus werden wichtige Hilfstransporte ins ukrainische Czernowitz organisiert, das ca. 40 Kilometer vor der Grenze liegt. In den Orten nahe der Grenzüberg.nge sammeln sich aktuell unzählige Menschen, die abwarten und noch hoffen, ihr Land nicht verlassen zu müssen. Die Versorgung droht zu kollabieren, weshalb dringend benötigte Lebensmittel dorthin gesandt werden.

Sonntag – Es geht zurück nach Hause. Sylvia und Josef hängen ihren Gedanken hinterher. Der Krieg ist real und wir dürfen nicht wegschauen. Wir müssen hinsehen. Hinsehen, sehen was zu tun ist und dann helfen. In diesen schweren Zeiten sind Zusammenhalt und Solidarität am wichtigsten. Hinsehen und Helfen e.V. sucht kontinuierlich nach neuen Wegen, die Not in Europa und der Welt ein Stückchen kleiner zu machen. Wir sind stolz, ein Rädchen von unserem Verein zu sein. Jeder an seinem Platz und mit dem, was er tun kann.