Mofas Eindrücke – dritter Tag

Der Montag ist der erste Tag, an dem wir von Früh bis Spät unterwegs sein werden. Begleitet werden die Teams von lokalen Hilfskräften von „World Vision“ – ohne eine Partnerorganisation vor Ort ist es in Rumänien verboten, Hilfsgüter einzuführen oder zu verteilen.Zu siebt werden wir heute fünf Schulen und Kindergärten ungefähr eine dreiviertel Stunde von Craiova entfernt mit LKWs und Kleintransportern anfahren (Ein herzliches Dankeschön an dieser Stelle auch an die Firmen, die uns die Fahrzeuge unentgeltlich zur Verfügung stellen: Spedition Noerpel, Nutzfahrzeuge Franken, Fahrschule Eisenkolb, Spedition Schäflein, ROMA KG, Abel und Ruf, Autohaus Glink, Schleunung Druck sowie Kai-Uwe Keck). Der Weg führt uns zunächst durch die Außengebiete der 150.000 Einwohner großen Stadt, später über kleine Landstraßen und Brücken mit zweifelhaften Höhenangaben – nicht nur für die Fahrer der Lastwagen immer wieder ein Abenteuer.

Die Dörfer ähneln sich alle – einstöckige Häuser rechts und links der Straße, einheitlich breite Grundstücke, jedes mit einem mannshohen Zaun umgeben. Selten sind in einem Dorf mehrere Straßen, noch seltener sieht man zweigeschossige Häuser. Dafür immer wieder Bauruinen und scheinbar verlassene Bruchbuden. Geplant und angelegt wurden die Siedlungen noch unter dem Regime Ceausçescu, in der nach-kommunistischen Zeit konnte sich Rumänien nur langsam von den Folgen jahrzehntelanger Diktatur und Misswirtschaft erholen.

Die Schulen und Kindergärten die wir besuchen sind aufgrund des Nationalfeiertages am 1. Dezember noch in den Nationalfarben blau-gelb-rot geschmückt. Die Lehrkräfte erwarten uns schon und gemeinsam gehen wir von Klassenzimmer zu Klassenzimmer und verteilen unsere Geschenke. Überall werden wir mir leuchtenden Augen empfangen und mit Liedern, Gedichten begrüßt und bekommen Bildern und kleine, selbstgebastelte Aufmerksamkeiten geschenkt.

Die Ausstattung der Einrichtungen ist mehr als schlicht. In einem Raum für eine Vorschulgruppe finden sich auf 35 Quadratmetern neben Tischen und Stühlen nur zwei, drei Regale mit Büchern, Malsachen und ein paar Stofftieren. Auch wenn alles liebevoll hergerichtet ist und die Erzieherinnen sich herzlich um die Kinder bemühen: Die Kindergärten meiner Kinder und das, was wir hier vorfinden haben nicht viel gemeinsam. In den Schulklassen sind die Möbel alt und abgenutzt, in den höheren Klassen findet sich manchmal ein Computer und ein Beamer, die über diverse EU-Förderprogramme finanziert werden. Geheizt wird teilweise noch mit riesigen Holzöfen, die zwar für viel Wärme sorgen, mit ihren diversen Spalten und Rissen aber wenig Vertrauen erwecken.

Bei fünf oder mehr Klassen pro Schule bleibt keine Zeit, sich mit den Kindern und Lehrkräften tiefergehend zu unterhalten. Aber auch oberflächliche Blicke lassen erahnen, in welcher Not manche der Kinder stecken. Während wir alle in mindestens drei wärmende Schichten gehüllt und durch Funktionskleidung vor der Kälte geschützt unsere Arbeit im Freien verrichten sitzen manche der Schüler in Jogginghosen und einfachen Pullovern im Klassenzimmer. Ein erfahrener Konvoi-Teilnehmer sag mit „Wenn du wissen willst, wie es einem Rumänen wirklich geht: Schau auf seine Schuhe!“ Schnell verstehe ich, was er damit meint: Bei Temperaturen weit unter dem Gefrierpunkt sind die Menschen teilweise mit ausgetretenen Sportschuhen, Lederslippern oder Plastik-Hausschuhen unterwegs. Vereinzelt sieht man sogar Badeschlappen, in einem Fall sogar ohne Socken.

Sicher gibt es auch Familien, die auf ein durchschnittliches, kleines Einkommen von umgerechnet ca. 500 Euro kommen und sich damit schon glücklich schätzen können. Aber gerade in den ländlichen Regionen im Süden ist nach dem Fall des eiserner Vorhangs vieles noch schlechter geworden. Auch auf den Dörfern sieht man mehr Autos als Pferdegespanne, aber ich habe mir für mich eine Kalkulation aufgestellt: Selbst wenn wir von 100 Paketen die wir verteilen zehn Stück an Kinder abgeben, die sie nicht wirklich dringend benötigen, so haben gleichzeitig 90 Kindern geholfen und eine große Freude bereitet: Ein paar Lebensmittel und Süßigkeiten, die sie sich nie leisten könnten. Ein Hygieneset (Zahnbürsten, Zahnpasta und Duschgel oder Seife) um sich in schwierigsten Umständen etwas sauberer zu fühlen. Und ein Spielzeug, dass bei uns in Deutschland vielleicht unbenutzt in der Ecke liegen würde – hier im Süden Rumäniens zaubert eine abgelegte Puppe oder ein kleines Auto ein großes Lächeln und manchmal eine kleine Träne in ein Kindergesicht.