Mofas Eindrücke – sechster Tag

Donnerstag ist der „Alles-muss-raus-Tag“: Alle Hilfsgüter müssen bis zum Abend verteilt sein, damit wir das Lager wieder ordentlich übergeben können. Für all die Geschenke und Lebensmittel gibt
es mehr als genug bedürftige Kinder und auch Familien. Auf einer Tour zu einigen dieser Familien hat uns heute ein Diakon der rumänisch-orthodoxen Kirche begleitet und ich möchte euch in diesem Blog in die Wohnungen der Beschenkten mitnehmen. Nach einer recht holprigen Fahrt an den Stadtrand von Craiova steigen wir an einer der Ausfallstraßen aus den Kleinbussen. In zweiter Reihe, hinter einem recht ansehnlichen Einfamilienhaus, steht ein recht ordentliches, aber unverputztes kleines Häuschen mit gepflegtem Vorgarten und einem alten Opel Corsa in der Einfahrt. Der ältere Herr der uns begrüßt ist gepflegter als viele der Menschen, die uns im Laufe der Woche begegnet sind. Während wir die Lebensmittel und Geschenke hineintragen erfahren wir, welches Schicksal im widerfahren ist.

Er ist verwitwet und lebt hier alleine mit seiner Enkeltochter. Die Mutter ist schon vor einigen Jahren ins Ausland gegangen, seither gibt es keine Kontakt zu ihr. Der Vater, ein Ingenieur, der auch das schöne Haus gebaut hat, ist nach einem Herzinfarkt verstorben. Nun kümmert sich der Großvater um seine Enkelin, die noch zur Schule geht. Das Haus ist innen teilweise noch im Rohbauzustand, selbst die Farbe an den Wänden ist von der kleinen Rente unerschwinglich.

Eine weitere Station führt uns ins Zentrum von Craiova. Durch enge Gassen und ein verwirrendes System von Einbahnstraßen hindurch landen wir schließlich vor einem dreistöckigen Gebäude aus den 1930er Jahren. Mit den Paketen bahnen wir und den Weg ins Kellergeschoss. Hier ist duster und warm, fast zu warm. Die Luft ist stickig. In einem schmalen Gang stapelt sich Geschirr über einem Becken ohne fließend Wasser. Von den Gang gehen drei Türen ab, wir betreten das erste Zimmer. Auf 20 Quadratmetern stehen ein Doppelbett, Stockbett und ein weiteres Bett. Quer durch den Raum spannt sich ein Wäscheleine, in der Ecke steht ein baufälliges Regal. Hier und in einem kleinen Nebenzimmer leben zwei Erwachsene und drei Kinder.

Die Mutter erzählt uns, sie ist mit ihrem Mann hier vor 18 Jahren eingezogen, damals hatten sei nur zwei Kinder, der Platz war gerade so ausreichend. Die ältesten zwei Kinder sind schon ausgezogen, jetzt wohnen sie immer noch mit ihren drei kleinsten Kindern hier. Es gibt nur ein Klo, einzige Waschgelegenheit ist eine Schüssel, Wasser wird auf dem Gasherd erhitzt. Die Toiletten und die Kochgelegenheit auf dem Gang teilen sie sich mit einer Kleinfamilie, die ebenfalls im Kellergeschoss wohnt.

Der Vater arbeitet in einer Reifenhandlung und verdient 1800 Lei, ungefähr 380 Euro. Für die drei schulpflichtigen Kinder erhalten sie zusammen circa 50 Euro Kindergeld. Allein für Miete muss die Familie monatlich 250 Euro ausgeben. Mehrfach haben sie bei den staatlichen Stellen um eine andere Wohnung gebeten, aber keinen Erfolg gehabt. Auf dem privaten Wohnungsmarkt haben sie mit ihren finanziellen Möglichkeiten keine Chance.

Weder ein eigenes Haus, noch ein festes Einkommen können jemand in Rumänien vor einem Leben in Armut und absolut unwürdigen Verhältnissen bewahren. Egal ob auf dem Land oder in einer Großstadt wie Craiova: Die wirtschaftliche Verhältnisse sind für die meisten Rumänen mehr als schwierig. Jedes Päckchen und jeder Karton, der mit dem Nikolauskonvoi den Weg nach Rumänien gefunden hat landet hier bei den richtigen Leuten. Ich hoffe, das auch nächstes Jahr wieder viele helfende Hände und Nikoläuse unzählige Päckchen sortieren, Pakete schleppen und sich auf den langen Weg von Bayern nach Craiova machen. Nach dieser Woche weiß ich: Die Hilfe wird dringend benötigt und kommt an.